Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird ab 2011 für drei Jahre grundsaniert. Die Richter arbeiten während dieser Zeit an einem anderen Dienstsitz. Damit die Öffentlichkeit das Bundesverfassungsgericht trotz Baustelle als solches wahrnimmt, wird der angrenzende Bauzaun als Medium genutzt.
"Urteile des Bundesverfassungsgerichts, Remix" zeigt alle Wörter, Zahlen, Satz- und Sonderzeichen aus sechs Urteilstexten in alphabetischer Reihenfolge. Jeder Text stammt aus je einer Dekade seit der Gründung des Gerichts 1951 wobei jedes Wort genau so oft vorkommt, wie es auch in den Originaltexten vorhanden ist. Neue Textstrukturen entstehen und ermöglichen einen anderen Blick auf diese Masse an Informationen. Um alle 185.987 Urteile in der gezeigten Weise abzudrucken müsste der Zaun etwa 1456 Kilometer lang sein.
Die Arbeit repräsentiert die deutsche Sprache sowie das Vokabular des Bundesverfassungsgerichts. Aufgrund der rein formalen alphabetischen Neuordnung der Wörter entstehen absurde Textkombinationen, in denen immer wieder neue und unerwartete Begriffe zu entdecken sind.
Folgende Urteilstexte sind enthalten:
Apotheken-Urteil (1968), Adoption I (1968), numerus clausus I (1972), Völkerrecht (1987), Caroline von Monaco I (1998), Vorratsdatenspeicherung (2010).
www.beastach.de
Der Berliner Architekt Paul Baumgarten hat sich mit seinem Entwurf für das Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 1965 bewusst für eine offene Bauweise entschieden. Die Parkanlage vor dem Schloss Karlsruhe und der Botanischen Garten bleiben durch eine offene Bauweise verbunden, gleichzeitig vermitteln die Justizgebäude den Eindruck demokratischer Transparenz.
Während der Modernisierungsphase wird das Gelände von einem 2m hohen, mit Holzplanken verkleideten Bauzaun umfriedet. Die Aufgabenstellung des Wettbewerbs “Bauzaun Bundesverfassungsgericht” lautete, den Bereich der sogenannten verlängerten Waldstraße über eine Länge von 190 m ganz oder in Teilen künstlerisch zu gestalten. Inspiriert von der Bauweise des Bundesverfassungsgerichts setzt sich die Arbeit "Perspektivenwechsel" mit der Architektur und Transparenz der Gebäude auseinander. Auf großformatigen Lenticulardrucken sind abwechselnd Innen- und Außenansichten des Sitzungsgebäude zu sehen. Die Bewegung das Betrachters löst einen so genannten Flip-Effekt aus. Dies bedeutet, dass der perspektivische Wechsel auch das Gefühl eines Standortwechsels vermittelt. Im einem Moment schaut man in das Gebäude von Außen hinein bewegt man sich ein Stück weiter, blickt man aus dem Gebäude hinaus. Der Bauzaun ist folglich kein abgrenzender Sichtschutz sondern bietet auch während der Umbauphase dem Passanten einen visuellen Zugang zur Institution.
Fotografien: Joe Miletzki www.verenastellagompf.de
Funktion und gesellschaſtspolitische Rezeption der Grundrechte bilden das Zentrum unserer Fotoarbeit. Es ist unser Ziel, den Bürger als Träger dieser grundlegenden Rechte, die die Basis jedweder Judikative sind, darzustellen. Gesetzgebung wird oſt als Einschränkung empfunden- dieses Projekt hingegen strebt danach, aufzuzeigen, dass die Grundrechte die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat garantieren statt sie zu beschneiden. Das Bundesverfassungsgericht steht dabei exemplarisch als beschützendes Organ, das diese Rechte wahrt. Allerdings kann die Verfassung nur den Rahmen geben - letztendlich muss jeder Bürger selbst die Grundrechte für sich und andere verinnerlichen. In unseren Fotografien werden die Portraitierten im wahrsten Sinne des Wortes zu den Trägern des Gesetzes. Sie schreiben Grundrechte, die sie in besonderer Art und Weise betreffen, auf Tafeln und präsentieren diese dem Betrachter. So wird ein Bewusstsein geschaffen, wie das Leben jedes Bürgers mit den - oſt als allzu selbstverständlich aufgefassten - Grundrechten verknüpſt ist. Sie stellen die Prinzipien unseres Zusammenlebens dar und machen eine freie demokratische Gesellschaſt erst möglich. Der Bürger fungiert als Kläger und Richter: Er fordert Rechte ein, gleichzeitig trägt er selbst die Verantwortung für deren Umsetzung. Je nach Selbstverständnis und Auffassung des Portraitierten sind manche Fotos neutrale Aussagen, andere eine Anerkennung und manche Forderung. Diese Botschaſt ist intuitiv begreifbar und entzieht sich dennoch nicht einer tieferen Auseinandersetzung. Dabei werden gleichwohl gängige Klischees gebrochen, als auch die Aktualität und die Bedeutung des Grundgesetzes in unserer Gesellschaſt hervorgehoben.
Verena Stella Gompf
Alter Schlachthof 3
76131 Karlsruhe